Für welche Erkrankungen stehen ATMPs (Gentherapien) zur Verfügung?
In Europa zugelassene ATMPs für Seltene Erkrankungen sind beispielsweise Gentherapeutika, die bei der Krebsbehandlung, bei erblichen Immundefekten, Augenerkrankungen oder neuromuskulären Erkrankungen zum Einsatz kommen.
Des Weiteren sind gentherapeutische Arzneimittel zur Behandlung des Melanoms, einer Hautkrebsart, oder zur Therapie bestimmter Blutkrebsarten zugelassen.
Weitere Informationen zu den zugelassenen ATMPs bietet das Paul-Ehrlich-Institut.
Welche Arten von ATMPs gibt es?
Bisher wurden Gentherapien in der Europäischen Union für einzelne, sehr wenige Seltene Erkrankungen zugelassen. Sie bieten die Chance direkt die genetische Ursache einer Seltenen Erbkrankheit zu behandeln oder das Immunsystem eines Patienten so zu verändern, dass es gezielt gegen Krebszellen vorgehen kann. Mithilfe moderner Methoden der Gentechnologie kann ein Gen in bestimmte Zellen eingefügt (Genaddition), verändert (also editiert) oder auch in seiner Aktivität beeinflusst werden (Genmodulation).
Man unterscheidet zwischen einer Gentherapie in somatischen Zellen (Körperzellen) oder in Keimbahnzellen (Eizellen und Spermien).
Bei der somatischen Gentherapie werden therapeutische Gene ausschließlich in Körperzellen, wie etwa bestimmte Zellen der Leber oder Blutstammzellen, eingeführt.
Weitere Informationen bietet ein Positionspapier des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa).
Bei einer Gentherapie in Keimzellen ist die Veränderung von Erbanlagen in der Keimbahn beabsichtigt. Da in solch einem Fall das veränderte Erbgut an die Nachkommen der behandelten PatientInnen weitergegeben wird, ist letzteres in Deutschland aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verboten.
Unter (somatischen) Zelltherapeutika versteht man künstlich veränderte Zellen eines Spenders, die durch die Reaktion des eigenen Immunsystems, pharmakologische Wirkung oder durch Einwirkung des Stoffwechsels zu einer Besserung der Symptome oder des Krankheitsstadiums des Patienten beitragen können.
Unter biotechnologischen Gewebeprodukten versteht man totes oder lebendes Gewebematerial oder Zellen, die entweder aus Tieren oder Menschen gewonnen werden. Sie sollen zur Therapie beitragen, indem sie menschliches Gewebe regenerieren, reparieren oder ersetzen und so zum Beispiel verhindern, dass fehlerhafte Proteine gebildet werden. Meist stammen die Zellen/ das Gewebe aus dem Patienten selbst, werden außerhalb des Körpers modifiziert und dann im Anschluss wieder verabreicht.
Was sind ATMPs?
Zur Behandlung Seltener Erkrankungen stehen neuartige Therapien zur Verfügung, beziehungsweise befinden sich derzeit in klinischer Prüfung. Es handelt sich um sogenannte advanced therapy medicinal products (ATMPs), (Arzneimittel für neuartige Therapien; laut Richtlinie 2001/83/EG und Verordnung (EG) 1394/2007).
Unter diesem Begriff werden Gentherapeutika, (somatische) Zelltherapeutika, sowie biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte („tissue-engineering“) zusammengefasst. Diese neuen Therapieoptionen werden aktuell entwickelt, und es ist zu erwarten, dass sich das Know-how an dieser Stelle in den nächsten Jahren bedeutend erweitert.
Weitere Informationen zu den ATMPs finden Sie beim Paul-Ehrlich-Institut, beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und bei der europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA.
Ergänzende Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts zu Gentherapien finden Sie hier.
Was sollte ich als Patient über eine Gentherapie wissen?
Eine Gentherapie soll die Symptome über lange Zeit ausschalten, lindern oder verbessern. Möglichweise genügt eine einzige Dosis, um die Krankheitslast der Betroffenen zu verringern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Wichtig ist hierbei zu bemerken, dass in Deutschland die Veränderung des Erbguts in Keimzellen, also Spermien und Eizellen, durch eine Gentherapie nicht zulässig ist. Daher kann eine hierzulande eingesetzte Gentherapie die Erkrankung der Betroffenen zwar auf Organebene positiv beeinflussen, die Grunderkrankung selbst kann jedoch weitervererbt werden. Die Anwendung einer Gentherapie setzt voraus, dass bei einem Patienten eine Veränderung in einem Gen vorhanden ist. Es kann aber sein, dass über die Grunderkrankung hinaus die spezifische Art der Mutation im betroffenen Gen darüber entscheiden kann, ob ein Patient für eine Gentherapie infrage kommt oder nicht.
Besprechen Sie sich dazu mit Ihrem behandelnden Arzt / Ihre Ärztin. Er/sie kann einschätzen, ob diese Art der Behandlung in Frage kommen könnte, und Ihnen weitere Informationen dazu geben. Denn auch eine Menge weiterer Einflussfaktoren, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht und bereits vorhandene Organschädigungen, können für die Art und den Erfolg Ihrer Therapie entscheidend sein.
Bislang werden Gentherapien für Seltene Erkrankungen überwiegend im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt.
Weitere Informationen zur Gentherapie für Seltene Erkrankungen finden Sie auf der Website der Patientenorganisation EURORDIS.
Wo kann ich eine Gentherapie erhalten?
Die ersten Gentherapien sind in der Europäischen Union bereits zugelassen. Auf dem Weg zur Zulassung werden Gentherapien, wie andere Medikamente für Seltene Erkrankungen, im Rahmen von klinischen Studien auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft. Diese werden in Krankenhäusern und Prüfzentren durchgeführt, die an der jeweiligen klinischen Studie beteiligt sind. In Deutschland ist sicherlich ein regionales „Zentrum für Seltene Erkrankungen“ ein guter Ansprechpartner für Gentherapien
Einen Überblick über aktuelle klinische Studien bietet die Online-Datenbank clinicaltrials.gov.
Auf der Website „Hilfe für mich“ finden Sie hier weitere Hintergrundinformationen zu klinischen Studien.
Wie funktioniert eine Gentherapie?
Der Begriff „Gentherapie“ steht für biologische Arzneimittel zur Therapie genetisch bedingter Erkrankungen. Diese entstehen durch angeborene oder erworbene Fehlfunktionen einzelner oder mehrerer Gene in menschlichen Körperzellen. Eine Gentherapie verfolgt das Ziel, ein fehlerhaftes Gen zu reparieren, auszuschalten, zu entfernen oder durch eine gesunde Kopie zu ersetzen, um die normale Funktion in den betroffenen Genen oder Zellen zu ermöglichen. Dies kann, je nach Diagnose und der Indikation der Therapie, zu einer Wiederherstellung der normalen Funktion über eine lange Zeit führen bzw. das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Gentherapie bietet damit einen langfristigen Behandlungsvorteil, der möglicherweise mit nur einer einzigen Dosis erreicht werden kann.
Weitere Informationen bieten die Patientenorganisation EURORDIS, American Society of Gene & Cell Therapy (in englischer Sprache), die Deutsche Gesellschaft für Gentherapie und das Paul-Ehrlich-Institut.